Meerschweinchen sind keine „Kuscheltiere“!
(Und gehören nicht zum Streicheln auf den Schoß oder in Kinderhände.)
Da häufig Diskussionen zum Thema „Verhalten eines Meerschweinchens, wenn ich es streichle“ aufkommen und dabei immer wieder deutlich wird, dass viele Meerschweinchenhalter leider das Verhalten von Meerschweinchen immer noch nicht richtig deuten können, sollen hier eine Sammlung an Infos und auch Videos und Fotos zu dem Thema dargestellt werden.
Das Bild des „Kuschel-Meerschweinchens“ ist falsch und muss aus dem Kopf der Menschen verschwinden. Meerschweinchen hassen Berührungen in der Regel, dies ist Qual und Stress für sie und daher ist es wichtig, dass Meerschweinchen nicht auf den Schoß genommen oder unter Zwang gestreichelt werden.
Im Internet gibt es eine Menge Videos, wie Meerschweinchen außerhalb des Geheges gestreichelt werden. Sie legen sich hin, „gurren“ dabei vielleicht, wenn man sie am Körper streichelt, manche Meerschweinchen gähnen und strecken sich auch, recken den Kopf beim Streicheln am Hals, schließen die Augen und kippen den Kopf, wenn sie auf dem Kopf gekrault werden. Und die Menschen denken dann häufig: „Super, meinem Meerschweinchen gefällt das! Ich mache weiter und hole es nun ganz oft auf den Schoß, um es zu Streicheln.“
Dies ist zwar lieb gemeint, aber eine absolute Fehleinschätzung.
Denn genau diese Zeichen: Hinlegen, Gurren, Gähnen, Lang machen, Augen schließen, Rücken wegdrücken, Hals nach oben strecken und auch sogar Popcornen unter diesen Umständen sind eindeutige Zeichen, dass sich ein Meerschweinchen unwohl fühlt, es extremen Stress hat und still mehrfach darum bittet: „Lass mich in Ruhe! Ich habe Angst und füge mich deswegen, aber ich mag das nicht!“
Leider vergleichen Menschen dieses Verhalten immer mit Katzen, die durch Gurren oder Schnurren und Hinlegen Wohlgefallen ausdrücken. Unsere Meerschweinchen sind jedoch eine völlig andere Tierart mit einer völlig anderen „Sprache“.
Meerschweinchen sind sehr friedliebende, soziale Tiere. Sie zeigen in der Regel nicht durch Beißen, Zwicken etc., dass ihnen etwas missfällt, sondern nutzen dazu Drohlaute, wie Gurren oder Zähneklappern.
Wird dieses Verhalten aber ignoriert, bleibt ihnen oft nichts Anderes übrig, als sich platt hinzulegen, in Schockstarre zu verharren oder den Bewegungen des Menschen freie Bahn zu bieten (Hals strecken, wenn darunter gekrault wird), bis die gefährliche, stressige und äußerst unangenehme Situation vorbei ist.
Welche Chance hat denn ein kleines Meerschweinchen sonst, was sich in den Klauen eines riesigen Menschen befindet, der in dem Fall des Rausnehmens den Beutegreifer darstellt?
Keine.
Viele Menschen kraulen Meerschweinchen auch gerne unter dem Hals. Dies ist eine sensible Stelle, da Raubtiere dorthin beißen, um Meerschweinchen mit einem Kehlbiss zu töten. Meistens harren Meerschweinchen dann mit nach oben gestrecktem Hals unter Starre aus, wenn man sie dort berührt, auch wenn sie frei sind.
Jede Bewegung könnte dazu führen, dass das Raubtier zupackt – und auch wenn sie uns Menschen kennen und uns vertrauen, wir bleiben doch dennoch immer etwas uneinschätzbar für sie. Sie können nicht wissen, was unsere nächste Reaktion ist.
Meerschweinchen sollten daher lieber gar nicht unter dem Hals gestreichelt werden, denn dies macht ihnen vermutlich fast immer Stress oder Angst, im nächsten Moment vielleicht doch dort gepackt und getötet zu werden.
Es gibt eine ganz klare Regel für das Streicheln von Meerschweinchen: niemals außerhalb des Geheges.
Ein Meerschweinchen sollte nur rausgenommen werden, um die Gesundheit zu überprüfen oder um Medikamente zu geben oder es woanders hin zu bringen. NIEMALS aber um es zu streicheln, denn dann kann es nicht weg und sich auch nicht wehren und erleidet Qualen und Stress.
Das möchte man doch seinem geliebten Tier nicht antun und wenn man dies nun also weiß, kann man selbst beim Streicheln des Tieres auch keine Freude mehr empfinden.
Ein Meerschweinchen darf also, wenn überhaupt, nur im Gehege zum Streicheln berührt werden und selbst da mögen es manche nicht. Einige flüchten sofort, andere ergeben sich aber auch, denn der Beutegreifer steht ja direkt über einem, da ist auch Flucht nicht immer gut.
Und wenn ein Meerschweinchen im Gehege trotz Streichelns dableibt, aber gurrt, sich langmacht, vielleicht auch gähnt, die Augen schließt und sogar anschließend popcornt (denn dieses Verhalten wird nicht nur bei Freude, auch bei extremem Stress gezeigt!), dann gibt es nur eines, was der Mensch tun kann, wenn er sein Tier wirklich liebt: HÄNDE WEG.
Das Meerschweinchen gilt genau deswegen als das perfekte Kindertier, weil es leider nicht zwickt oder beißt, wenn ihm etwas nicht passt. Man kann es streicheln ohne Ende und leider sind sich viele nicht bewusst, welche Qual sie ihrem Tier antun.
Der Mensch streichelt gerne, dieser Drang ist jedoch meist rein egoistisch und wer sein Tier wirklich liebt, wird ihn zurückstecken können.
Meerschweinchen sind Tiere, die man am besten nur beobachtet. Seltene Ausnahmen, dass ein Tier die Berührung genießt, kommen vor, aber dann bitte nur im großzügigen Gehege und darauf achten, dass man sein Verhalten richtig deutet.
Im Zweifel sollte man das Meerschweinchen aber lieber nicht berühren.
Doch wie genau zeigen Meerschweinchen dann eigentlich, dass sie etwas mögen?
Wir beschreiben es gerne als „das entspannte Nichts“: Wenn Meerschweinchen etwas mögen, dann nehmen sie eine entspannte, aber ruhige, sitzende Haltung ein. Sie kauen zwischendurch noch, schauen sich vielleicht auch zwischendurch etwas um, jucken sich mal im normalen Rahmen, machen kleinere Dinge, sind aber sonst ganz ruhig, um die Berührung zu genießen und nicht zu stören.
Es ist ein ganz anderes Verhalten bei Schockstarre, da werden die Augen aufgerissen und das Meerschweinchen bewegt sich gar nicht mehr, es ist eben erstarrt.
Wenn ein Meerschweinchen eine Berührung mag (und hier nochmal: man streichelt ein Meerschweinchen, wenn überhaupt nur, wenn es frei ist!), dann wird es weder großartige Bewegungen wie Gähnen, Popcornen usw. vollziehen und sich auch nicht lautstark äußern.
Bitte erklärt das auch euren Kindern! :-)
Wenn sie verstehen, dass ein Meerschweinchen es furchtbar findet, gestreichelt zu werden, so möchten sie es ihrem Liebling auch nicht mehr antun.
Und ist es nicht viel schöner, wenn man ein entspanntes Tier in einem großen Gehege berühren darf? Wenn es vielleicht sogar Kontakt sucht, in dem es zu einem kommt?
Denn das ist der größte Vertrauensbeweis und vor allem zeigt das Meerschweinchen damit eines:
„Bei meinem Menschen fühle ich mich sicher. Mein Mensch versteht mich. Denn wenn ich ihm zeige, dass ich etwas nicht möchte, dann lässt er das auch. Und weil ich so immer weiß, dass er mich nicht gegen meinen Willen streichelt und meinen Wunsch respektiert, suche ich auch entspannt seine Nähe.“
So passiert es auch, dass ganz scheue Meerschweinchen, die man früher nur nach einer wilden Jagd aus dem Gehege nehmen konnte und dann zwangsgestreichelt hat, plötzlich ganz zutraulich werden, sobald man diese Zwangskuschelei unterlässt.
Denn das Tier merkt nun, dass ihm nichts passiert und der Mensch es nicht gegen seinen Willen streicheln oder knubbeln wird.
Und nur so kann echtes Vertrauen entstehen, was die Grundlage ist, dass man ein Meerschweinchen frei im Gehege streicheln kann und es sich dabei entspannt.
Doch nicht alle Meerschweinchen möchten das überhaupt, auch untereinander kuscheln sie selten und nur in besonderen Situationen sieht es so aus, sie drücken sich z.B. bei Stress oder Gefahr aneinander, das ist aber kein Kuscheln.
Wenn sich ein Meerschweinchen niemals frei streicheln lassen möchte, dann gilt es seinen Wunsch zu respektieren.
Aus Liebe zum Meerschweinchen!
Und das gilt so auch für viele andere Heimsäuger wie Kaninchen, Hamster, Mäuse, Chinchillas und Co.! Es sind keine Kuscheltiere und nur selten möchten diese Tiere wirklich berührt und gestreichelt werden. Wer ein Tier zum Streicheln haben will, muss sich eine Katze oder einen Hund anschaffen - aber auch diese Tiere möchten das nicht immer und dies sollte immer respektiert werden aus der Liebe zum Tier.
Hier noch ein paar Verhaltens-Beispiele von unseren Meerschweinchen:
Bei Pari habe ich das „entspannte Nichts“, was das Wohlgefallen der Streicheleinheit zeigt, damals u.a. auf einem Video festgehalten: https://www.youtube.com/watch?v=ekNeGPBWT5A
Pari kommt in diesem Video zum Futternapf und frisst. Ich darf ihr die Stirn kraulen, sie kaut dabei entspannt weiter. Ab 0:25 und ab 1:55 kann man sehen, wie ich sie berühren darf, was sie entspannt zulässt.
Bei 2:15 berühre ich kurz ihre Seite und Pari gurrt daraufhin, leider hört man das im Video nicht. Da ich weiß, dass sie dort nicht gestreichelt werden möchte, respektiere ich ihren Wunsch und streichle sie wieder nur auf dem Kopf. Wie zu sehen ist, lässt sie sich nicht vom Futtern abhalten, sie befindet sich also nicht in Starre. Und da sonst auch überall Futter im Gehege rumliegt, ist sie auch nicht gezwungen, genau dort und dieses Zucchinistück zu futtern und mein Streicheln nur deswegen zu ertragen… ;)
Hier noch ein Video, diesmal von unserem damaligen Kastraten Seppo:
https://www.youtube.com/watch?v=r_pECChfvMw
Bei Sekunde 5 ärgere ich Seppo wohl ein bisschen, weil ich seinen Fuß kitzle, er verändert daraufhin die Position, damit ich das nicht mehr kann. Ab Sekunde 16 darf ich seinen Kopf streicheln bzw. ihn am Hals kraulen. Dies ist eine sensible Stelle, da Raubtiere dorthin beißen, um Meerschweinchen mit einem Kehlbiss zu töten. Meistens harren Meerschweinchen unter Starre aus, wenn man sie dort berührt, auch wenn sie frei sind. Wie man im Video sieht, sind die Tiere frei bei uns auf der Wiese unterwegs, die anderen „brabbeln“ auch zufrieden im Hintergrund. Seppo könnte also weg, wenn er wollte. Zudem wirkt er entspannt, er legt sich auch noch in meine Richtung und liegt in dem Fall nicht, weil er panisch die Situation aushalten möchte, sondern eben, weil er sowieso schon genüsslich ein Päuschen eingelegt hatte, bevor ich ankam und ihn gestreichelt habe. Dennoch bin ich vorsichtig und streichle ihn nur kurz am Hals, da mir nicht klar ist, ob dies nun wirklich okay für ihn ist und er das wirklich möchte. Im Zweifel berühre ich lieber kein Meerschweinchen dort, denn es ist wahrscheinlicher, dass sie es nicht mögen oder sogar Angst bekommen, als dass sie es wirklich genießen können.
Hier noch ein Video von Kastrat Seppo, was gut zeigt, wie unklar es ist, ob er das Streicheln überhaupt wollte und ab wann es deutlicher wurde, dass er nicht berührt werden wollte:
https://www.youtube.com/watch?v=UC4DyYR-F74
Ich wollte Seppo an dem Tag von der Wiese reinholen und habe deshalb das Haus umgeklappt, in dem er saß. Seppo war ein ruhiger Geselle und hatte Probleme mit der Wirbelsäule, daher rennt er nicht sofort weg und sitzt erst mal da. Bei Angst hat er dennoch immer erst mal die Beine in die Hand genommen, das tut er hier soweit nicht. Dennoch war er überrascht, hatte geruht und wirkt, als wenn er meine Streicheleinheit einfach nur duldet. Heute würde ich ihn nicht mehr so streicheln und mein Verhalten im Video fällt für mich unter „Zwangsstreicheln“, auch, wenn Seppo frei war und nicht weggelaufen ist.
Ich kann Seppo im Video dann den Kopf kraulen, er kippt ihn leicht seitlich – es ist unklar, ob er da einfach einem Reflex folgt oder dies wirklich mag. Auch ist nicht klar, ob er die Augen schließt, weil er genießt oder sie einfach vor meinen Fingern und aus Unsicherheit schützen möchte.
Und dann bei Sekunde 45 wird es deutlicher: Seppo entzieht seinen Kopf meiner Hand! Eine ganz kleine Geste, manche hätten sie vielleicht übersehen.
Er sagt somit ganz friedlich, aber deutlich: „NEIN! Jetzt reicht mir das Gekraule hier aber!“
Und ich erkenne das, stoppe damit, ihn zu streicheln und begehe dann einen großen Fehler: ich will, einem Ordnungsdrang folgend, sein von mir durch das Kraulen verwuschelte Fell auf dem Kopf wieder glatt richten und streichle ihm über den Kopf. Deshalb stupst er dabei meine Hand bei Sekunde 47 nach oben weg, wieder ein ganz eindeutiges: „Ich will das nicht! Nimm die Hand weg!“. Also lasse ich es.
Danach checkt er kurz noch die Lage auf der Wiese und dann habe ich ihn reingebracht.
Heutzutage muss kein Meerschweinchen bei uns mehr so eine Prozedur über sich ergehen lassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie das alles gar nicht mögen oder wollen, ist leider höher, als dass sie es genießen. Wenn ich meine Meerschweinchen berühre, dann immer nur kurz und flüchtig, um ihre Reaktionen darauf zu beobachten und ihnen die Gelegenheit zu geben, zu flüchten oder sich zu wehren.
Wir können jedem nur raten, um mehr über die Bedeutung des Verhaltens des Meerschweinchens zu lernen, die Meerschweinchen auch in der Interaktion untereinander zu beobachten und ihr Verhalten dabei auch kritisch zu hinterfragen - denn auch das ist nicht immer eindeutig und selten ganz einfach zu erklären.
Es gibt zudem viele Infos im Internet zum Verhalten von Meerschweinchen, z.B.:
https://meerschweinchenwiese.de/verhalten/die-koerpersprache
http://www.diebrain.de/I-verh.html
http://www.diebrain.de/Iext-kuschel.html
Wir alle sind selbst keine Meerschweinchen und können daher eigentlich nie zu 100% sagen, was das Tier gerade empfindet. Daher gilt uneingeschränkt:
Wenn es nur den geringsten Anlass gibt, anzunehmen, meinem Tier gefällt die Berührung nicht, dann respektiere ich den Wunsch des Meerschweinchens und lasse es in Ruhe.
Fazit:
Meerschweinchen sind keine Kuscheltiere.
Sie sind es nicht, waren es noch nie und werden es nie sein.