"Was wäre, wenn...?"
oder auch
"Cülis Geschichte"
"Was wäre, wenn...?"
oder auch
"Cülis Geschichte"
Erzählt aus der Perspektive von Meerschweinchen-Dame Cüli:
"Vor vielen Jahren (ca. Ende 2004/Anfang 2005) kam ich in ein Tierheim.
Da saßen ganz viele von uns Meerschweinchen auf sehr engem Raum.
Wir alle hatten schreckliche Angst.
Die anderen griffen mich an, ich hatte keinen Freund.
Das Tierheim gab mich dann 2 Jahre später an eine Frau, die im Tierheim war, um Meerschweinchen ein Zuhause zu geben, mit den Worten: "Die hat rote Augen! Die anderen Meerschweinchen beißen sie deswegen, die muss alleine bleiben."
(Anmerkung der Menschen: so etwas stimmt nicht! Kein Meerschweinchen wird wegen roter Augen gebissen – Ursache für die Probleme werden die ungünstigen Lebensumstände im Tierheim gewesen sein.)
So kam ich alleine zu der Frau und wohnte in einem kleinen Käfig.
Wenn ich rief, antwortete niemand.
Wenn es mir nicht gut ging, war kein Kumpel für mich da.
An keinem anderen Meerschweinchen konnte ich mich wärmen.
Mit niemandem konnte ich spielen...
Es war langweilig dort.
Wenn ich mich erschreckt habe, zeigte mir niemand, dass die Gefahr vorrüber ist und beruhigte mich.
Auch zum Kuscheln hatte ich niemanden.
Das Kuscheln mit der Menschenfrau war ein Horror! Das mochte ich nicht und wollte ich nie. Doch das wusste sie nicht, sie hatte mich lieb und meinte es eigentlich gut mit mir.
Lange hoffte ich...
Doch die Jahre vergingen, ich wurde immer älter.
Ich konnte immer schlechter sehen, bis ich nur noch Schatten wahr nehmen konnte.
An Artgenossen erinnerte ich mich nicht mehr...
Gab es überhaupt noch welche?
Und welche, die mich mögen könnten?
Ich saß einfach da und wartete.
Irgendwann, so dachte ich, wird das ein Ende haben.
Mein Ende.
Auf diesen Tag wartete ich.
Dann eines Tages setzte mich die Frau in ein Körbchen und brachte mich zu anderen Frauen.
Ich war schrecklich aufgeregt und ängstlich!
Sehen und hören konnte ich kaum noch etwas.
Die Frau sagte zu den anderen Frauen:
"Sie ist nicht so hübsch und hat rote Augen, andere Tiere beißen sie deswegen. Sie ist eigentlich glücklicher alleine..."
Doch plötzlich wurde ich in ein Gehege reingesetzt.
Ich roch einen Geruch, den ich kannte und vor sehr langer Zeit mal gerochen hatte...
Sollten das etwa Artgenossen sein?
Eine fellige Nase berührte mich und schnupperte an mir.
Und noch welche!!
Ich hatte fürchterliche Angst und schrie um mein Leben!
Die anderen wollten mich angreifen, dachte ich!
Ich rannte in die nächste Ecke und erstarrte vor Angst.
(Dieses Foto zeigt diese Situation:)
Die neuen Frauen nahmen mich dann mit, mit den anderen Meerschweinchen auf eine große Wiese.
Ich sah nicht viel, aber spürte alles!
So etwas hatte ich noch nie gefühlt!
Überall Leckerbissen und so viel Platz! Ich habe mich sehr gefreut, obwohl ich auch sehr viel Angst hatte!
Wir durften alle frei rumlaufen, ich lief lieber den Frauen hinterher.
Die anderen Meerschweinchen würden mich eh beißen, dachte ich...
Leider kam ich kaum voran, die lange Zeit in dem kleinen Käfig ohne Bewegung hatte meine Muskeln und Beine geschwächt.
Nach einer Weile ging es zurück in das Gehege.
Ich war ganz müde und suchte Schutz in einem Häuschen.
Ich schlief ein, von den neuen Eindrücken und dem Stress überwältigt.
Als ich aufwachte, lag der junge Meerschwein-Bursche neben mir. Ich erschrak erst, aber er fuhr mir sanft mit der Nase an der Stirn entlang. Er tat mir gar nichts, er biss mich nicht...
Sollte das ein Freund sein?
Ein erster Artgenosse, der lieb zu mir wäre?
War ich vielleicht doch gestorben und nun im Himmel?
Ich wusste gar nichts mehr.
Ich wagte mein Glück nicht zu glauben.
Die Tage vergingen und lange hatte ich vor den anderen Schweinchen noch viel Angst.
Ich schrie oft laut und schnappte nach den anderen, damit sie mir bloß nicht zu nahe kamen und mich beißen konnten.
Irgendwann bemerkte ich, dass sie das gar nicht wollten.
Sie wollten nur Hallo sagen...
Es brauchte viel Zeit, mich mit den anderen bekannt zu machen und mich in die Gruppe einzufügen.
Ich konnte sie kaum sehen und schlecht hören, was es mir oft schwierig machte. Zudem wusste ich gar nicht, wie man sich anderen gegenüber verhält.
Die neuen Frauen sagten immer: "Ob sie sich noch einlebt? Ob es eine gute Idee war, sie aufzunehmen? Ob sie nicht alleine doch glücklicher war?"
Nein.
Ich lebte mich ein und fand neue Freunde.
Endlich konnte ich mit wem spielen, kuscheln und reden.
Wenn ich Angst hatte, war endlich jemand da, der mich beruhigte und an den ich mich drücken konnte.
Ich spürte, wie neue Energie in mir zu fließen begann.
Plötzlich konnte ich wieder rennen und durch ganz anderes, viel besseres Futter ging es mir auch viel besser.
Ich hatte Spaß, wie noch nie in meinem Leben!
Und kaum noch Stress, denn im Schutz der Gruppe, waren stressige Situationen gleich halb so wild.
Und die neuen Frauen sagten sogar: "Wie kann man sagen, dass sie nicht hübsch ist? Sie ist eines der süßesten Tiere, die wir je aufgenommen haben!"
Das hat mich gefreut. Denn auch, wenn die Frauen immer dachten, ich verstehe sie nicht, nehme ich doch vieles von dem wahr, was sie sagen, fühlen und tun.
Ich spüre ihre Liebe zu mir und bin sehr dankbar dafür.
Mit so etwas hatte ich nie gerechnet.
Was wäre wenn...
... die neuen Frauen, meine jetzigen Zweibeiner, schnell aufgegeben hätten?
... wenn sie mir nicht die Zeit gegeben hätten, die ich brauchte?
... wenn sie geglaubt hätten, was die anderen sagten, dass ich alleine bleiben möchte?
Niemand dieser Zweibeiner konnte wissen, was ich mir wünschte.
Mein Verhalten zeigte meine Wünsche nicht, ich hatte einfach nur noch Angst.
Doch nachdem ich die Angst verlor, konnte ich meine Wünsche ausdrücken.
Ich wünschte mir, wie nichts sonst auf der Welt,
Freunde.
Was wäre wenn...
ich trotzdem hätte weiter alleine sitzen müssen, nur weil die Menschen mich nicht verstanden und meinten, sie wüssten es besser...
Dann wäre mein Leben irgendwann traurig und einsam geendet.
Nun "lebe" ich wirklich und freue mich über jeden Tag, den ich mit meinen Freunden verbringen kann!
Liebe Zweibeiner von Meerschweinchen und anderen geselligen Tieren auf dieser Welt:
Bitte haltet uns nicht alleine!
Lasst uns Freunde finden! Bitte unter Artgenossen, wir mögen Kuscheln mit Menschen meistens nicht!
Menschen ersetzen uns nicht Freunde der eigenen Art!
Bitte gebt uns Zeit und habt Geduld!
Und akzeptiert, dass wir manche Artgenossen erst doof finden. Schließlich sucht ihr sie aus, nicht wir selbst.
Bitte gebt nicht sofort auf und vergesst niemals:
Ihr glaubt, anhand unseres Verhaltens zu sehen, dass wir vielleicht lieber alleine leben wollen.
Aber was wäre, wenn das nicht stimmt?
Wenn wir eigentlich fürchterlich einsam sind und einfach nur Angst vor anderen haben?
Wenn eure Überzeugung, ihr hättet Recht mit dieser Annahme, uns das ganze Leben lang zur Einsamkeit verdammt?
Wäre es da nicht besser, ihr probiert aus?
Gebt uns nette, vom Charakter her passende Artgenossen und habt Geduld, bis wir uns verständigt, uns kennen gelernt und Probleme geklärt haben?
Bitte liebe Zweibeiner dieser Welt:
Gebt uns Artgenossen, die zu unseren Freunden werden können!
Lasst uns nicht alleine!
Sie sind das, was unsere Freude am Leben bedeutet!
Ohne Freunde ist unser Leben dunkel, einsam und traurig."
Nachtrag:
Cüli lebte nach ihrer Ankunft dann noch 5 Jahre bis Mai 2016 bis zu einem unglaublichen Alter von mindestens 12 Jahren glücklich bei uns. Sie war immer sehr fröhlich und entdeckungsfreudig und holte alles nach, was in ihren ersten 7 Lebensjahren nicht möglich war: Unternehmungen mit Freunden, viele Ausflüge durch die Wohnung und über unsere Wiese, Schlemmen an einem leckeren Frischfutter-Buffet, Kuscheln mit ihren Freunden in Kuschelsachen und vieles mehr.
Cülis geliebter Freund Seppo schlief sehr plötzlich bereits 6 Monate vor Cülis Tod für immer ein, was sie in tiefe Trauer stürzte, wovon sie sich nie mehr so richtig erholte.
Nun sind die beiden als Traumpaar wieder vereint und glücklich zusammen, an einem Ort, an dem es kein Leid gibt und wo immerzu saftige Gräser wachsen...