Wir empfehlen die Frühkastration von männlichen Meerschweinchen-Babys. Frühkastraten sind Meerschweinchenjungs, die vor Eintreten der Geschlechtsreife kastriert wurden. Daher werden sie nicht zeugungsfähig und können bei Meerschweinchen-Damen bleiben, müssen also keine 6-wöchige Kastrationsfrist absitzen, wie normale Kastraten.
Unserer Erfahrung nach unterscheiden sie sich jedoch ansonsten im Laufe ihres Lebens dennoch nicht von normalen Kastraten und sollten daher auch nicht mit mehreren Kastraten zusammen mit Meerschweinchen-Damen leben.
Mehr Infos und unsere Gedanken zu diesem Thema haben wir im folgenden Text zusammengefasst.
Die Frühkastration – wann und wo?
Geschlechtsreif sind Meerschweinchenjungen ca. im Alter von 3-4 Wochen, sehr selten auch schon ein wenig früher (gerade bei kräftigen Einzelkindern). Sie haben dann ein ungefähres Gewicht zwischen 200 und 250g.
Ganz genau kann man es nicht an Alter oder Gewicht ausmachen - es kommt auf den Stand der Hoden an. Wenn diese bereits in den Hodensack abgesunken sind, so werden die kleinen Schweinejungs geschlechtsreif und es wird zu spät für eine Frühkastration. Zuvor beginnen sie meist schon zu brommseln (das typisch vibrierende Balzgehabe der Meerschweinchenjungs) und auf anderen Schweinchen aufzureiten.
Für die Frühkastration an sich gelten die gleichen Vorbereitungen und Tipps, auch zur Tierarztwahl, wie bei der normalen Kastration von älteren Meerschweinchenjungs – Infos dazu könnt ihr hier lesen.
Nicht jeder Tierarzt bietet die Frühkastration bei Meerschweinchen an – am besten informiert man sich also rechtzeitig, wo dies möglich ist. Es empfiehlt sich, direkt nach der Geburt der Meerschweinchenjungs einen Termin auszumachen für die Frühkastration, da es eine Vorlaufzeit für Termine gibt.
Vorteile und Nachteile der Frühkastration
Ob die Frühkastration gut ist, ist umstritten unter Meerschweinchenhaltern: einerseits bietet sie die Vorteile, dass der Eingriff kleiner ist als bei der normalen Kastration von Meerschweinchenjungs später und dass die Frühkastraten nicht 6 Wochen lang eine Frist absetzen müssen, wie bei der normalen Kastration, bevor sie zu Weibchen können. Sie können also in ihrer Gruppe bleiben, weil sie nicht geschlechtsreif und somit auch nicht zeugungsfähig werden.
Allerdings verhindert der Eingriff so auch die normale hormonelle Entwicklung der kleinen Meerschweinchenjungs in den ersten Lebensmonaten. Diesbezüglich befürchten einige Meerschweinchen-Halter gesundheitliche Auswirkungen für die Meerschweinchenjungs.
Wir können nach der langjährigen Erfahrung mit vielen Frühkastraten nichts dergleichen beobachten. Wir sehen keine Nachteile zur normalen Kastration und empfehlen daher die Frühkastration aufgrund der genannten Vorteile.
Erwachsene Frühkastraten verhalten sich in der Regel wie normale Kastrate
Häufig wird gesagt, dass Frühkastraten wegen der ausbleibenden hormonellen Entwicklung zur Geschlechtsreife neutral sind für andere Meerschweinchen und nicht als Männchen erkannt werden. Daher könnten sie ohne Probleme zusammen mit einem normalen Kastraten in einer Gruppe mit Mädchen (Haremsgruppe) leben.
Unserer Erfahrung nach stimmt dies nicht. Erwachsene Frühkastrate verhalten sich unseren Erfahrungen nach genau wie normale Kastrate und weder sind sie neutral noch werden nicht als Männchen erkannt.
Erwachsen gewordene Frühkastraten sind unserer Erfahrung nach genauso wenig tolerant, was andere Kastraten in der Haremsgruppe mit Mädels angeht, wie normale Kastraten. Am Anfang, wenn sie noch jung sind, klappt es manchmal noch, aber wenn sie erwachsen geworden sind, entscheiden sie oft auch, dass sie nun Mädchen nur für sich haben wollen und beginnen, gegen den anderen Kastraten in der Gruppe zu kämpfen.
Ohne jemandem etwas unterstellen zu wollen: Wir haben manchmal einfach den Eindruck, dass viele Menschen froh sind, ihren Böckchenüberschuss reduzieren zu können mit dem Argument, Frühkastrate wären ohne Probleme kombinierbar mit normalen Kastraten… Es gibt überall zu viele Meerschweinchenjungs und dies ist für alle ein grosses Problem. Frühkastrate in Haremsgruppen zu integrieren ist unserer Ansicht nach aber nicht die Lösung.
Wir bekommen leider permanent verzweifelte Nachrichten von Menschen, die Probleme mit dieser Kombination haben und ein neues Zuhause für entweder ihren Frühkastraten oder aber den Kastraten suchen. Diese Tiere landen dann bei uns in der Notstation und wir suchen dann neue gute Zuhause für sie. Dies wäre zu vermeiden, denn die Tiere verlieren ihre Freunde und ihr gewohntes Zuhause und haben durch alles viel Stress.
Man tut den Tieren keinen Gefallen: zwei Kastrate in einer Gruppe Mädchen sind bei Meerschweinchen in der Regel halt einfach keine gute Idee.
Selbst, wenn dies eine Weile gut geht und nicht gleich zu Beginn in (ggf. gefährlichen) Kämpfen ausartet, so kann es sich auch später noch ohne Vorwarnung schnell hochschaukeln und in Mord und Totschlag enden und auch die Damen stressen und verletzten. Es ist für keins der beteiligten Tiere fair und sehr stressig und gefährlich für alle beteiligten Meerschweinchen.
Manchmal ist es gar auch nicht so auffällig, dass es einen der Kastraten stresst. Dennoch muss sich einer der Kastraten immer unterordnen und leidet daher unter Stress und auch eventuell permanent unter Angst vor dem anderen Kastraten.
Das ist bei Frühkastraten gar nicht anders als bei normalen Kastraten.
Es ist natürlich, dass Meerschweinchenjungs ihre Damen nicht mit anderen Böckchen teilen wollen. Mehr zu diesem Thema steht hier. Daran ändert weder die Kastration noch die Frühkastration etwas.
Selten klappt es dennoch mit zwei Kastraten in einer Gruppe – häufig dann, wenn sehr viel Platz besteht im Gehege (15-20 qm) und es über 15-20 Meerschweinchendamen gibt. Bei kleineren Gruppen und kleineren Gehegen funktioniert eine Haremsgruppe mit zwei Kastraten nur extrem selten – dies liegt dann meist am sanftmütigen Charakter der Kastraten oder weil die Jungs vor ihrem Einzug bei den Damen schon eng befreundet und harmonisch waren. Generell ist es ein sehr seltenes Glück. Meist geht es ziemlich schief und man kann von Glück sagen, wenn kein Tier dabei zu Schaden kam.
Daher empfehlen wir, dies lieber nicht zu probieren.
Frühkastrate in Boygroups
Meerschweinchenjungs sind leider in der Regel nicht dafür gemacht, mit anderen Jungs zu leben. Am natürlichsten sind einfach Haremsgruppen aus einem Kastraten mit mehreren Weibchen. Dennoch sind Jungsgruppen sinnvoll und toll, wenn sie harmonisch sind - mehr Infos zu diesem Thema kann man hier nachlesen.
Wir freuen uns immer, wenn jemand sich dazu entschliesst, eine Jungsgruppe aufzunehmen! :-)
Ob so eine Gruppe erfolgreich ist, kommt auf den Charakter der Schweine-Jungs an. Die Kastration von männlichen Meerschweinchen macht sie ausgeglichener und ruhiger und kann dazu beitragen, dass Jungsgruppen funktionieren. Ebenso eine ausreichende Gehegegrösse (Infos dazu hier). Es gibt zwischen Kastraten und Frühkastraten diesbezüglich jedoch keinen Unterschied: die meisten Schweinejungs möchten nicht zusammen mit anderen Böckchen leben und bevorzugen ihre eigenen Damen.
Junge Frühkastrate als alleinige Gesellschaft für unkastrierte ältere Jungs
Wenn ein älterer unkastrierter Meerschweinchen-Bock nach dem Tod seines Partners alleine ist und nicht mehr mit älteren Jungs zu vergesellschaften ist und es zu Kämpfen kommt, wird dann meist ein einzelnes Baby-Meerschweinchen zu ihm gesetzt. Häufig handelt es sich dabei um einen Frühkastraten. Dies geschieht in der Hoffnung, dass die Zwei sich verstehen und es nicht zu Streit kommt, weil das Baby noch eine Art „Welpenschutz“ genießt und den älteren Bock auch nicht in Frage stellt.
Für uns ist dies aber – von sehr seltenen Ausnahmesituationen abgesehen - eigentlich keine zu tolerierende Ausnahme. Eine Gruppe aus einem Baby und einem erwachsenen Meerschweinchen kann Stress für beide Tiere sein, den wir Menschen nicht immer so wahrnehmen müssen oder können. Es ist keine artgerechte Gruppen-Konstellation so und bringt Probleme der eventuellen Frustration beider Tiere mit sich. Mehr Infos zu diesem Thema könnt ihr hier lesen.
Auch tritt leider oft der Fall ein, dass während des Erwachsenwerdens die jungen Böcke doch noch entscheiden, dass sie nun nicht mit anderen Jungs zusammenleben wollen. Dann gibt es meist im Alter von ca. 1-1,5 Jahren Streit bis hin zu blutigen und gefährlichen Kämpfen. Dies betrifft auch Frühkastraten, die sich diesbezüglich nicht unbedingt anders als Kastraten entwickeln, nur weil sie vor der Geschlechtsreife kastriert wurden. Hier stehen Tipps, wie man vorgehen kann, wenn man einen älteren einsamen Jungen hat, der sich nicht mehr mit anderen älteren Jungs vergesellschaften lässt.