Gras ist nicht gleich Gras: die Weidelgras-Thematik
Wer anfängt, Wiese zu sammeln, steht am Anfang vor einer Herausforderung: so viele Kräuter kennt er nicht, was ist das und dürfen die Tiere das und wenn ja, wie viel davon?!
Meistens sind die „neuen Sammler“ dann froh, dass immerhin die Süßgräser recht leicht zu erkennen und eigentlich ja alle ohne Bedenken zu verfüttern sind. Doch auch da gibt es Unterschiede!
Das Ganze ist ein sehr weitreichendes und komplexes Thema - in diesme Text soll nur kurz und oberflächlich auf die Thematik eingegangen werden, weil das Thema vielen Meerschweinchenhaltern einfach noch völlig unbekannt ist.
Es gibt 10.000 verschiedene Süßgrasarten, dazu gehören auch die Weidelgräser. Diese finden sich auf vielen Pferde- und Kuhwiesen, oftmals sind sie nämlich „hoch gezüchtet“, enthalten also eher wenig schlecht schmeckende Substanzen und besonders viel Zucker, um Sportpferden, die leistungsstark sein sollen Energie zu stellen und um Kühe zu mästen. Oder können in „weiter gezüchteter Art“ auch als Rasen in Gärten vorkommen.
Für unsere Meerschweinchen ist so viel Zucker (Fruktane) nicht nötig, im Gegenteil, wenn sie dauerhaft nur diese Gräser bekommen ist das sogar deutlich ungesund.
Es kommt aber noch ein wichtiger Punkt hinzu, nämlich dass Gräser oft zusammen mit endosymbiontischen Pilzen, Endophyten, leben. Das dient sowohl den Gräsern als auch Pilzen und ist – allgemein im Reich der Natur – überhaupt nichts Außergewöhnliches.
Wird ein Gras gestresst, also z.B. angeknabbert, produziert es Zucker/Fruktane, in durch Zucht entsprechend veränderten Weidelgräsern entsteht dann ziemlich viel Zucker, in Wiesenlieschgras im Vergleich dazu noch recht wenig.
Endophyten ernähren sich vom Zucker im Gras und je mehr Zucker, umso mehr Gifte können sie produzieren (Alkaloide, die dem Schutz der Pflanze z.B. vor Fraßfeinden dienen), die wiederum dann unsere Meerschweinchen aufnehmen.
Da im Weidelgras also viel Zucker enthalten sein kann (nicht muss, aber kann) können folglich (auch je nach Endophyt, der sich da eingenistet hat) horrende Mengen an Alkaloiden entstehen. Meerschweinchen reagieren unterschiedlich auf Alkaloide, die einen verpacken sie erst mal noch gut, die anderen bekommen gleich Probleme mit der Verdauung etc.
Das „Endophyte Service Laboratory“ in den USA listet daher Weidelgras zusammen mit Jakobskreuzkraut und Rohrschwingel (auch eine Süßgrasart) als die drei giftigsten Weidegiftpflanzen auf (in "Fate and metabolism of plant toxins in livestock"; Jennifer M. Duringer, PhD OSU 2007).
Aus diesen Gründen versuchen wir, Weidelgräser so gut es geht zu meiden, denn wir können deren Inhaltsstoffe und Symbionten nicht einschätzen.
Nun soll aber keiner Angst vor dem Grassammeln bekommen, denn Gras ist grundlegend wichtig und gesund für Meerschweinchen !
Es macht sicher auch nichts, wenn beim Sammeln mal ein Büschel Weidelgras in den Korb gerät oder man das Büschelchen eben mitnehmen mag, weil es so saftig aussieht oder es nichts anderes gab.
Auch hier gilt eben: die Dosis macht das Gift.
Aber wenn Meerschweinchen ständig hauptsächlich Weidelgräser bekommen, die ggf. eben gar durch Zucht verändert wurden und mit „ungesunden“ Symbionten versehen sind, kann das krank machen.
Und deshalb schadet es sicher nicht, ein wenig aufmerksam zu sein, ob und wie viel Weidelgras man sammelt :-)
Wir sammeln bevorzugt da, wo es viele Wildgrasarten und viele Wildkräuter gibt, so können wir den Tieren auch einfach viel Auswahl bieten und hoffen auf eine geringe „Zuchtgrasrate“.
Oft sieht man hier bei uns auch Wiesen, die nur aus Weidelgras bestehen oder aus Weidelgras mit Klee, das sind Wiesen für die Heuernte. Dort pflücken wir sowieso nicht, denn diese Wiesen sind dann in der Regel auch gespritzt und gut gegüllt und es wäre dann wohl auch Diebstahl. Und eben sowieso nicht gesund für die Meerschweinchen (gilt auch für andere Gras-Fresser...).
Weidelgras erkennt man an: der glänzenden Blattunterseite (oberen Bilder), an den weißen Öhrchen (Bild unten links), an der gerieften Blattoberseite (Bild unten rechts). Diese Bilder, die beim Bestimmen von Weidelgras helfen, wurden uns freundlicherweise von einer Meerschweinchenhalterin zur Verfügung gestellt.
Auch im Heu sind natürlich oft Weidelgräser, daher sollte man auch bei der Auswahl des Heus darauf achten, aus welchen Grasarten es sich zusammen setzt:
Einfach beim Anbieter nachfragen :)
Hier haben wir mehr zum Thema Heu und eine Heu-Empfehlung aufgeschrieben.
Für Interessierte:
Dieses Buch wurde uns für einen etwas tieferen Einstieg in die Thematik empfohlen: https://www.amazon.de/Giftige-Gr%C3%A4ser-auf-Pferdeweiden-Tiergesundheit/dp/3894321121 (wir haben es aber bisher noch nicht gelesen).