Chlormadinon - Hoffnung für Meerschweinchen-Damen mit hormonellen Problemen/Eierstockzysten
Chlormadinon ist ein Hormon-Präparat für Menschenfrauen, welches für uns eine grosse Hoffnung darstellt in der Behandlung von Meerschweinchen-Damen mit hormonellen Problemen durch Eierstockzysten. Denn leider haben viele weibliche Meerschweinchen mit Problemen durch Eierstockzysten zu kämpfen. Mehr allgemeine Infos zu Erkrankungen von Gebärmutter und Eierstöcken bei Meerschweinchendamen haben wir hier zusammengetragen.
Während manche Meerschweinchen die typischen Symptome hormonell aktiver Zysten zeigen (beidseitiger Fellverlust, häufiges Brommseln, Aggressivität, krustige/geschwollene Zitzen und Scheide etc.), gibt es auch Schweinchen, die gar nicht deutlich auffällig sind und ggf. nur etwas gestresst, "unter Strom" und aggressiv wirken.
So war das z.B. bei unserer Peyton, die im Alter von 6,5 Jahren auf einmal nicht mehr in unserer Schweinchen-Gruppe leben konnte aufgrund ihrer unerklärlichen Aggressionen und weil sie sich selbst auch immer mehr ausgrenzte. Auch einen neuen, ganz lieben Kastraten hat sie aggressiv verprügelt. Eine Operation kam bei ihr nicht mehr in Frage aufgrund zu vieler körperlicher Baustellen.
Daher entschlossen wir uns damals, es mit einer Gabe Chlormadinon zu versuchen - innerhalb von Stunden (unfassbar, aber ja, es ging so schnell) war Peyton wieder ein entspanntes und freundliches Meerschweinchen. Nun bildete sie mit ihrem neuen Kastraten ein wunderbares Team. Peyton lebte dann glücklich in Gesellschaft noch 2 Jahre und wurde über 8 Jahre alt.
Die Alternative wäre gewesen, dass sie für den Rest ihres Lebens hätte alleine leben müssen, denn aufgrund mehrerer körperlicher Baustellen, kam eine Kastration nicht mehr in Frage, auch keine Entnahme der Eierstöcke über die Flanken.
Peyton hat kleine Zysten, wir kennen aber mittlerweile auch Schweinchen, bei denen keine Zysten im Ultraschall gefunden wurden und die aggressiv waren. Auch andere Schweine-Mädels, die plötzlich nicht mehr vergesellschaftet werden konnten oder in ihrer Gruppe bleiben aufgrund ihrer Aggressivität, wurden nach der Chlormadinon-Gabe wieder entspannt und freundlich - sogar dann, wenn keine Zysten gefunden wurden (wobei man sagen muss, dass man auch im Ultraschall nicht immer unbedingt alle Zysten sieht; kleine Zysten können unter Umständen einfach auch nicht im Ultraschall gesehen werden).
Die Halter waren einfach verzweifelt genug, es zu probieren - ich weiss selbst, welch Überwindung es kostet, seinem Tier Hormone zu geben. Denn auch der Tierarzt kann ja nicht unbedingt sagen, ob dies etwas bringt oder die richtige Entscheidung ist.
Was ansonsten beobachtet werden kann, dass nach der Chlormadinon-Gabe meist (nicht in allen Fällen komplett, aber in den meisten) recht zügig die Symptome von Zysten bzw. hormonellen Problemen (was auch immer dann ursächlich dafür ist) zurück gehen. Man kann binnen weniger Stunden oft schon einen Unterschied am Verhalten erkennen, dann kann es aber durchaus 2-4 Wochen noch dauern, bis die körperlichen Symptome verschwinden.
Bei unserer Bluebelle waren Zitzen und Scheide sehr geschwollen, das war nach 2 Wochen abgeklungen und 2 Monate später war die 2cm-grosse hormonell aktive Zyste nicht mehr im Ultraschall zu finden. Bluebelle hatte einen bereits deutlich wachsenden Tumor nahe der Milz, einen Herzschaden und Veränderungen/Metastasen an Leber und Lunge - und starb an diesen Prozessen 3 Monate später.
Daher kam eine Kastration im Vorfeld für uns natürlich nicht mehr in Frage (schon gar nicht nur für etwas gesteigerte Brommseligkeit und geschwollene Scheide und Zysten - dennoch stresste sie das und wir waren froh, dass sie durch Chlormadinon etwas mehr Ruhe gewinnen konnte für ihre letzte Lebenszeit :-) ).
Auch scheint es so, dass grosse Zysten schrumpfen können nach der Chlormadinon-Gabe.
Im Gegensatz zu dem Hormon-Präparat "Ovogest" wirkt Chlormadinon den Erfahrungen unseres Umfelds nach in sehr hoher Wahrscheinlichkeit fast immer lindernd auf Zysten-Symptome. Hilft Chlormadinon mal nicht, kann man eine höhere Dosis probieren. Es kann jedoch auch sein, dass dann mehr im Argen ist in der Gebärmutter und letztendlich doch nur eine Kastration als Option bleibt, sofern das Tier noch fit genug dafür ist. Mehr zum Thema Erkrankungen von Gebärmutter und Eierstöcken haben wir hier aufgeschrieben.
Ovogest (Choriongonadotropin) kommt für uns nun nicht mehr in Frage als Behandlungsversuch, weil wir zu viele Fälle kennen, in denen es nichts genutzt hat. Zudem haben wir nun schon von mehreren Tierärzten gehört, dass sie es nicht mehr einsetzen wollen, weil es ihrer Erfahrung nach meistens nichts bringt und sie den Verdacht haben, dass es Gebärmuttertumore begünstigen könnte. Wir kennen bisher keinen solchen Fall. Ob dies wirklich so ist, ist natürlich unklar und auch fraglich – die hormonellen Probleme können auch wegen Tumoren/Erkrankungen der Gebärmutter auffällig sein bzw. können Hormonprobleme auch Gebärmuttertumore begünstigen. Nichtsdestotrotz hat das Ovogest einfach wohl häufig nicht den gewünschten Effekt.
Auch bei Chlormadinon weiss man nicht, ob es Tumore nicht ggf. begünstigen kann. Dennoch kennen wir nun einige Meerschweinchen mit Tumoren, die nicht mehr operiert werden konnten - und diese Tumore haben sich unter Chlormadinon nicht verschlimmert, zum Teil sogar verbessert. Ein Meerschweinchen mit einem Gebärmuttertumor ist darunter, aber auch Zitzentumore, wie z.B. Peyton sie hat. Bei Peyton war es so, dass der Zitzentumor nach der Chlormadinongabe sogar etwas geschrumpft ist durch das Chlormadinon – wenn der Hormon-Stress aufhört, dann kann sich dies ggf. günstig auf Tumore auswirken, dass sie zurückgehen oder zumindest nicht mehr wachsen.
Selbst wenn Chlormadinon aber eventuell Tumorwachstum begünstigen würde, wir würden es dennoch immer wieder geben, wenn es dem Meerschweinchen dadurch wieder mehr Lebensqualität schenkt.
Wir würden diesbezüglich Lebensqualität immer der Lebenszeit vorziehen - den Tieren zuliebe.
Beispiel Schweinchendame Bluebelle
Bluebelle war damals 5 Jahre alt und hatte einen grossen Milztumor und ein Herzproblem (vermutlich durch den Tumor). Zudem hat sie unter Eierstockzysten gelitten: sie war sehr brommselig und wirkte dadurch gestresst. Dazu hatte sie auch geschwollene Zitzen und eine geschwollene Scheide. Eine Entnahme der Eierstöcke kam aufgrund ihrer Erkrankungen nicht mehr in Frage. Daher hat auch sie Chlormadinon bekommen. Dies bewirkte, dass alles abschwellen konnte binnen 1-3 Wochen und auch hat Bluebelle innerhalb der ersten Woche aufgehört zu brommseln und wurde wieder normal entspannt.
Dies linke Bild zeigt die geschwollenen Zitzen und die geschwollene Scheide vor der Chlormadinon-Gabe. Das rechte Bild zeigt die abgeschwollenen Zitzen und langsam noch weiter abschwellende Scheide 3 Wochen nach der Chlormadinon-Gabe.
Gibt es Nebenwirkungen durch Chlormadinon?
Oft kommt die Frage nach Nebenwirkungen - und das war auch eine grosse Sorge von uns, bevor wir einer Therapie mit Chlormadinon zugestimmt haben. Bei Menschen-Frauen weiss man ja, welche Nebenwirkungen eine Anti-Baby-Pille unter Umständen haben kann...
Und das soll ich dann meinen Meerschweinchen geben?
Vor den ersten Gaben waren wir diesbezüglich angespannt. Aber es passierte nichts. Und es gibt auch Schweinchen, die noch viele Jahre mit einer regelmässigen Chlormadinon-Behandlung ohne Probleme lebten. Dennoch heisst das natürlich nicht, dass es keine Nebenwirkungen haben kann. Wir können ggf. ja auch nicht immer alle Nebenwirkungen beobachten und individuell reagiert jedes Tier verschieden.
Wir hatten uns im Vorfeld einer Behandlung unserer Meerschweinchen mit Chlormadinon gründlich informiert und auch Tierärzten Kontakt gehabt, die das Präparat schon länger bei Meerschweinchen einsetzten. Tatsächlich sind nie Nebenwirkungen beobachtet worden.
Nachdem wir es im Laufe der letzten Jahre nun auch mehrfach bei verschiedenen Schweine-Mädchen eingesetzt haben und einige Meerschweinchenhalter in unserem Umfeld auch, können wir dies bestätigen. Wir haben einzig in seltenen Fällen eventuell ein klein wenig Müdigkeit in den ersten 2-3 Tagen nach der Gabe von Chlormadinon bei den damit behandelten Meerschweinchen gemerkt. Aber natürlich ist eine Umstellung des Hormonsystems auch eine grosse Sache für den Körper, somit wäre dies verständlich. Die Tiere lagen auch nicht permanent schlafend in einer Ecke etc. - sie waren nur einfach ein bisschen weniger aktiv als normal.
Wann kommt Chlormadinon als Behandlung in Frage?
Eine Kontraindikation gibt es im Grunde nicht, ausser vielleicht "echter" Diabetes (also Diabetes, die die Schweinchen von Geburt an haben und die nicht nachher "erworben" wurde, denn meistens kann das dann ein Resultat von hormonellen Problemen bzw. ein Hinweis auf Prozesse in der Gebärmutter sein: der Blutzucker steigt beim weiblichen Schweinchen z.B. oft bei Problemen mit der Gebärmutter an, wenn sie z.B. entzündet ist; Symptome können da sonst nicht eindeutig sein - es ist fraglich, ob da eine Hormonbehandlung hilft, wohingegen eine Kastration grosse Chancen stellt, dass der Blutzucker dauerhaft sinkt. Wir haben mehrfach erlebt, dass der Blutzucker dann nach der Kastra relativ zügig und dauerhaft absinkt - mehr zu diesem Thema gibt es hier.
Chlormadinon könnte aber auch bei diabetischen Meerschweinchen dennoch ein Versuch wert sein im Zweifel.)
Für uns ist immer wichtig, dass man im Vorfeld einer Chlormadinon-Gabe per Ultraschall (mehr Infos dazu hier und hier) ausschliesst, dass die Probleme wirklich durch Zysten kommen und sich in der Gebärmutter keine Tumore befinden oder die Gebärmutter entzündet ist, was ähnliche Symptome hervorrufen kann. Es sollte klar sein, dass man dann nicht um eine Kastration herum kommt.
Daher ist auch für uns zusätzlich immer ein Check des Urins (kann man zuhause selbst mit einem Combur-Teststreifen - mehr Infos dazu gibt es hier) wichtig: Blut darin könnte neben einem Hinweis auf eine Blasenentzündung (Infos hier) auch ein Gebärmutter-Problem andeuten - so oder so wäre dann ein Antibiotikum für das Meerschweinchen wichtig (vor oder zusätzlich zu der Chlormadinon-Gabe). Man sieht im Ultraschall halt auch leider nicht immer alles, was in der Gebärmutter vor sich geht, daher ist mir zusätzlich die Urinuntersuchung und ggf. sogar auch Röntgenbilder als Diagnostik sehr wichtig.
Sollte das Schweinchen eine Gebärmuttererkrankung haben, aber nicht mehr operabel sein, weil es z.B. schon älter ist und mehrere Baustellen hat - dann kann man auch in solchen Fällen (zusätzlich zu Antibiotika) Chlormadinon probieren. Auch könnte es unter Umständen leicht gegen Gebärmutterentzündungen wirken.
Dennoch würden wir uns im Normalfall, wenn es bei dem entsprechenden Schweinchen noch möglich, für eine OP entscheiden wenn ein Gebärmutterproblem vorliegt. Tumore in der Gebärmutter sind häufig und lassen sich leider nicht durch Chlormadinon wegzaubern. Auch Antibiotika können eine Gebärmutterentzündung in den meisten Fällen nicht ausreichend genug bekämpfen. Gerade bei jungen und sonst gesunden Schweinchen sollte man sich in unseren Augen daher lieber für die Kastration entscheiden.
Man kann Chlormadinon auch einsetzen, wenn eine Kastration kurz später geplant ist und das Meerschweinchen sehr hyperaktiv durch die hormonellen Probleme ist. Es kann dann helfen, dass das Meerschweinchen schon etwas ruhiger wird und weniger Stress und die Kastration somit dann besser verkraften kann.
Präparat und Dosierung
Es kommt bei einer oralen Gabe ausschliesslich "Chlormadinon" von Jenapharm (2mg Tabletten) in Frage. Alle anderen Produkte mit Chlormadinon enthalten Östrogene, die man in diesem Fall nicht geben möchte. Das Meerschweinchen erhält pro 200g Körpergewicht 1 Tablette mit 2mg aufgelöst in ein paar ml Wasser, dies gibt man direkt ins Mäulchen. Bei 1kg Körpergewicht sind es also 5 Tabletten, die man alle auf einmal gibt.
Dies gibt man einmalig alle 5 Monate.
In manchen Fällen muss bzw. kann man die Gabe aber auch schon alle 3 Monate wiederholen - z.B. bei unserer Peyton, von der wir oben im Text schon erzählten. Peyton wurde nach ca. 3 Monaten binnen Stunden dann wieder extrem aggressiv, was zum Glück aber wenige Stunden nach der erneuten Chlormadinon-Gabe wieder verschwindet.
Es gibt Chlormadinonacetat auch als Injektion, manche TÄ nutzen dies so (auch alle 5 Monate ca. wird dies dann gespritzt). Tabletten finde ich allerdings stressfreier.
Sprecht euren Tierarzt bei Bedarf unbedingt auf Chlormadinon an!
Wenn euer Tierarzt das Präparat nicht kennt, kann ich gerne eine Kontaktadresse eines Tierarztes nennen, der damit sehr viele Erfahrungen hat und uns auch schon diesbezüglich beraten hat.
Infos von einer TÄ auch hier: https://www.birgit-drescher.de/meerschweinchen03.html (wobei wir schon die Erfahrungen gemacht haben, dass Zysten sich darunter reduzieren können...)
Ich finde es erstaunlich, dass man sonst nicht so viel zum Chlormadinon findet, zumal es so eine vielversprechende Therapie-Möglichkeit ist.
Immer mehr Freunde und Bekannte in unserem Umfeld machen positive Erfahrungen mit diesem Präparat und wir alle sind dankbar, dass wir diese Möglichkeit durch den Tipp einer Freundin (die seit Jahren damit arbeitet bei ihren Meerschweinchen - sie hat eine Notstation und damit oft kranke Schweine-Mädels bei sich) erhalten haben.
Weitere Gedanken zum Thema
Wir haben uns auch die Frage gestellt, ob unsere Schweinedamen die hormonellen Probleme durch Eierstockzysten haben, weil sie von Natur aus auf viele Nachkommen ausgelegt sind, die sie bei uns in der Gefangenschaft nicht haben? Wir sind keine Unterstützer von Zucht oder Vermehrung von Meerschweinchen und dies wäre auch gar nicht mehr möglich bei vielen unserer Meerschweinchen durch körperliche Einschränkungen.
In der Natur aber sind Schweinedamen ständig tragend - reagiert ihr Hormonsystem irgendwann über, weil dies in Gefangenschaft in der Regel nicht mehr der Fall ist? Dass Kastraten Zysten verhindern stimmt leider nicht.
Wir haben wirklich den Eindruck, dass es unseren Schweinedamen mit diesen Problemen unter Chlormadinon mehr als deutlich besser ging immer und sie dann wieder zu einem gelasseneren, fröhlicheren und auch somit gesünderen Selbst zurück finden. Für uns war der krankhafte, schlimme Zustand der, in welchem sie sich vor der Chlormadinon-Gabe befunden haben. Ist es vielleicht wirklich der für sie gesündere Zustand, ihren Hormonstoffwechsel so etwas zur Ruhe zu bringen?
Wir wissen es nicht - wir würden Chlormadinon auch nicht prophylaktisch einem Tier geben, welches keine Probleme hat, auch wenn dies in unserem Umfeld schon überlegt wurde ab einem Alter von ca. 8 Monaten bei Meerschweinchendamen als Prophylaxe vor Eierstock- und Gebärmuttererkrankungen.
Aber wir sind uns sicher, dass Chlormadinon die Lebensqualität von sehr vielen Meerschweinchen-Mädels mit hormonellen Problemen in unserem Umfeld erheblich verbessert und vielleicht auch ihre Überlebenszeit verlängert hat.