Vergesellschaftung
Die Vergesellschaftung von Meerschweinchen kann schnell und friedlich ablaufen - die Situation kann sich allerdings auch sehr hochkochen und in seltenen Fällen muss man irgendwann einschreiten und zum Schutz der Tiere abbrechen. Tipps und Infos zu Vergesellschaftungen beim Meerschweinchen soll der folgenden Text bieten.
Gehege-Gestaltung für eine Vergesellschaftung
Wichtig ist für eine Vergesellschaftung und generell die Haltung von Meerschweinchen ist in jedem Fall immer ein ausreichend großes Gehege (generell nicht unter 4 qm und gerne noch größer - Infos dazu hier) mit vielen Plätzen zum Verstecken und ausreichend Frischfutter-Angebot (Infos zu einer guten Ernährung von Meerschweinchen gibt es hier).
Oft wird geraten, eine Vergesellschaftung auf "neutralem Boden" durchzuführen, also in einem für alle Tiere unbekannten Gehege.
Dies ist nicht immer unbedingt nötig, kann aber Sinn machen. Die Meerschweinchen vergessen allerdings dabei ihre Rangordnung nicht, aber sie sind durch die neue Umgebung etwas abgelenkt von den Neuankömmlingen.
Man kann auch einfach das Gehege anders gestalten, wenn man keine Möglichkeit hat, ein komplett anderes Gehege für die Vergesellschaftung aufzubauen.
Für die Vergesellschaftung sind für die ersten Tage mehrere Futter-Plätze wichtig, so dass die Tiere sich noch aus dem Weg gehen können. Ebenfalls machen größere Höhlen Sinn (z.B. einfach mit Decken über dem Gehege gestaltet und beispielsweise mit Heubergen zum Wühlen und Schlafen darin). Dies gibt den neuen Tieren in der ungewohnten Umgebung mehr Sicherheit (Meerschweinchen nutzen Höhlen gerne zum Schutz) und entspannt so die Situation. Bei der Erkundung der Höhlen begegnen sich die Tiere so auch immer wieder in meist ruhigerem Rahmen.
Ablauf einer Vergesellschaftung und kleine Verletzungen
Jede Vergesellschaftung sieht anders aus – pauschal ist meist vorher schwer einzuschätzen, wie es ablaufen wird.
Anfangs kann es die ersten Tage normal sein, dass die Meerschweinchen vorsichtig miteinander sind und sich sogar lieber erst einmal aus dem Weg gehen. Manchmal nehmen sie sofort Kontakt auf, aber zum Teil ignorieren sie sich durchaus auch einmal in den ersten Stunden.
Danach aber geht es an die Klärung der Rangordnung, was die wichtigste Basis für ein Zusammenleben der Meerschweinchen ist.
Dies kann recht sozial und freundlich gestaltet sein, mit Brommseln und Aufreiten (auch durch Weibchen), Gähnen (zeigt Beschwichtigung, kann aber auch Stress-Zeichen oder bei Entspannung sein), Schnüffeln am anderen Tier und Augen lecken (kann ein Zeichen der Dominanz sein), jedoch auch temperamentvoller einher gehen mit Zähneklappern, Schreien, Ohrenknabbern, Jagen, Anspringen, Hacken und generell voneinander gestresst sein. Auch kann es sein, die Tiere geraten kurz aneinander und sich dabei ein wenig verletzen.
Die folgenden Fotos zeigen Rangordnungssituationen in denen die Tiere sich mit geöffnetem Maul angefaucht haben, die Offensive suchten, auch ausdrucksstark gegähnt oder dominierend Augen-geschleckt haben.
Die Tiere müssen sich einfach anfangs auch erst einmal kennen und einschätzen lernen. Neue Meerschweinchen kennen zudem die Umgebung auch noch nicht, was sie zusätzlich unsicher und gestresst werden lässt. Meistens geht es nach 1-3 Tagen dann schon deutlich besser und es kehrt wieder Ruhe und Entspannung in der Gruppe ein. Eher selten gibt es von Anfang an gleich ein harmonisches Zusammensein, aber auch das kommt vor.
Kleinere Verletzungen wie Risse in der Haut durch Fellreißen am Rücken (Meerschweinchen beißen eher nicht, sondern ziehen Fell heraus, was die Haut verletzt) oder Ritze an den Lippen oder neben dem Maul können vorkommen und sind normal. Meistens heilt sowas sehr schnell, man kann dann Schmerzmittel geben und etwas Manukahonig auf die Wunde. Selbst tiefe Risse am Maul heilen meist binnen weniger Stunden wieder zu - sollte es jedoch stark bluten oder dem Tier auffällig schlecht gehen, sollte man natürlich den Tierarzt aufsuchen.
In der Regel beruhigt sich auch in solchen Fällen die Situation nach spätestens wenigen Tagen.
Die folgenden Fotos zeigen kleinere Verletzungen durch eine Vergesellschaftung. Diese sollten nur in den ersten Tagen nach Zusammentreffen neuer Tiere vorkommen und nicht mehr nach ein paar Wochen.
Gedanken zur Rangordnung
Die Rangordnung von Meerschweinchen kann man nicht vorhersehen, nicht beeinflussen und sie ist auch nicht immer klassisch hierarchisch gestaltet mit einem Tier, was die Gruppe anführt und alle anderen dominiert – diese Auffassung von einer linearen Struktur bzw. Hierarchie in Tier-Herden ist mittlerweile überholt. Interessante Beiträge zu diesem Thema gibt es zu Pferden (z.B. von Marc Lubetzki).
Jedes Meerschweinchen übernimmt andere Aufgaben in der Gruppe und muss mit jedem einzelnen anderen Meerschweinchen ein Übereinkommen finden, wie sie miteinander umgehen. Es kann sein, Meerschweinchen A dominiert über Meerschweinchen B und Meerschweinchen B über Meerschweinchen C – doch Meerschweinchen C über Meerschweinchen A.
Meistens jedoch ist ein Meerschweinchen in der Rangordnung am höchsten und übernimmt die Leitung der Gruppe – in der Regel ist dies ein Weibchen. Dieses Weibchen strahlt meist eine natürliche Autorität aus und hat Gewalt nicht nötig, um andere zu dominieren, sondern geht ruhig und geschickt kommunizierend vor und kann den anderen Tieren durch seine Ausstrahlung und Erfahrung Sicherheit vermitteln, so dass sie sich auch bereitwillig unterordnen. Der Kastrat hat andere Aufgaben (weitere Infos dazu hier) und soll vor allem auch für Ruhe zwischen den Mädchen sorgen (dies mit ganz unterschiedlichen Strategien - und er muss seine Damen dabei auch mal Situationen ausdiskutieren lassen, wird also nicht immer oder auch nicht immer sichtbar in jeder Streit-Situation einschreiten).
Dies ist ein großes Thema, über das man stundenlang schreiben könnte – um herauszufinden, wie die Rangordnung der eigenen Meerschweinchen aussieht, beobachtet man sie am besten immer wieder in den unterschiedlichen Situationen.
Wenn ein Meerschweinchen in einer Gruppe ranghoch oder sehr dominant war, heißt dies nicht, dass dies ebenfalls der Fall in einer anderen Gruppe sein muss. Die Gruppenkonstellation nimmt großen Einfluss auf die Rangordnungsposition eines Meerschweinchens. Daher sollte man immer nach Bauchgefühl vorgehen bei der Auswahl neuer Tiere – dieses gibt unserer Erfahrung nach meist einen sehr guten Rat, ob das Meerschweinchen in die entsprechende Gruppe passen könnte, oder nicht. Die Logik kann Anhaltspunkte bieten, aber meist nicht vorrausschauend sagen, wie die Meerschweinchen sich in der neuen Gruppenkonstellation einfinden werden.
Eingreifen in die Vergesellschaftung
Wichtig ist, dass man die Meerschweinchen am besten so wenig wie möglich stört während der Vergesellschaftung. Man sollte nicht zu früh eingreifen, da man die Meerschweinchen in der Situation immer wieder stören kann. Auch wenn man sie vorübergehend trennt, führt dies dazu, dass sie die Rangordnung nie ganz zu Ende diskutieren können und bei einem erneuten Zusammentreffen wieder damit beginnen müssen. Dies frustriert die Meerschweinchen irgendwann auch und sie gehen dann manchmal nur noch mehr aufeinander los.
Eine Vergesellschaftung kann sehr nervenaufreibend sein für die zusehenden Menschen.
Wann man eingreifen muss, ist eine schwierige Entscheidung und es gibt keinen pauschalen Rat. Bei kleinen Streitereien oder Verletzungen sollte man die Tiere aber in der Regel weiter diskutieren lassen, wenn alle fit wirken. Wenn die Meerschweinchen sich jedoch sehr hoch stacheln und die Situationen gefährlicher werden, ist ein Eingreifen natürlich sinnvoll. Wir raten immer dazu, dabei auf das Bauchgefühl zu hören.
Wenn man sich die Vergesellschaftung nicht zutraut oder gerade erst mit der Meerschweinchen-Haltung begonnen hat, kann man auch erfahrene Halter bitten, dabei zu sein. Es gibt auch Notstationen, die anbieten, dass man die Tiere für eine Vergesellschaftung zu ihnen bringen kann für die erste Woche.
Ist eine Vergesellschaftung sehr stressig oder prophylaktisch im Vorfeld kann man Bachblüten-Rescue-Tropfen (mit Alkohol) hinter die Ohren der Meerschweinchen geben und sie als Mensch selbst auch nutzen (gibt es auch ohne Alkohol mit Zucker, aber die kleben hinter den Ohren und wir möchten den Meerschweinchen auch keinen Zucker oral geben.
Zudem können beruhigende ätherische Öle wie Lavendel in einem Diffusor oder auf einem Tuch im Zimmer der Tiere genutzt werden.
Unserer Erfahrung nach hat dies aber - soweit beobachtbar - keinen entscheidenden Einfluss auf die Vergesellschaftung. Es kann jedoch den Menschen etwas ruhiger werden lassen und dies nützt dann auch den Tieren :-)
Abbruch der Vergesellschaftung und Problemanalyse
Extrem selten ist es so, dass man eine Vergesellschaftung von Meerschweinchen abbrechen muss. Wenn es zu schwereren Verletzungen kommt und die Aggressionen unter den Tieren gar nicht abnehmen oder sogar immer mehr zunehmen, muss man sie manchmal trennen. Nach wenigen Wochen sollte normal eine Vergesellschaftung zum größten Teil geklärt sein und die Meerschweinchen wieder entspannt miteinander umgehen. Ein bisschen Unstimmigkeit beim Futtern oder in Bezug auf beliebte Ruheplätze im Gehege kann normal sein und bestehen bleiben :-)
Bemerkt man jedoch, dass es über 1-2 Monate immer noch zu stressigen Situationen kommt oder ein Tier sich in der aktuellen Gruppenkonstellation benachteiligt oder gestresst wirkt und sich zurückzieht oder nicht sehr mit den anderen interagiert, sollte man prüfen, ob es krank ist oder vielleicht unter der Gruppenkonstellation leidet und diese geändert werden sollte.
Zwei Kastraten in einer Gruppe mit wenigen Meerschweinchen-Damen ist in der Regel generell keine gute Idee und einer der beiden Kastrate wird, manchmal auch nur still, unter der Situation leiden. Daher raten wir generell von so etwas ab - dies gilt auch für Frühkastrate, die zu ganz normalen Kastraten heranwachsen und dann auch ihre Mädels für sich haben wollen.
Nicht immer findet man heraus, warum eine Vergesellschaftung gescheitert ist. Manchmal passt es einfach nicht mit den Meerschweinchen – vielleicht sind die Charaktere zu unterschiedlich oder aber die Tiere „können sich nicht riechen“. Der Körpergeruch ist tatsächlich sehr wichtig und manchmal passen Tiere auch deswegen nicht zu einander.
Oder aber die Gruppenkonstellation (Infos dazu hier) ist noch nicht optimal – manchmal muss noch ein Meerschweinchen zur Gruppe hinzukommen, damit diese wieder harmonisch wird. Hier sollte man gut beobachten und auf sein Bauchgefühl hören, ob dies eine Lösung wäre und welches Meerschweinchen dann für die Erweiterung der Gruppe geeignet scheint.
Manche Meerschweinchen sind leider auch mangels Erziehertiere in ihrer Jugend oder durch lange Einzelhaltung nicht gut sozialisiert und dadurch - oder durch Erkrankungen wie z.B. Blindheit - nicht in der Lage, richtig zu kommunizieren. Die Erkrankungen machen meist weniger Probleme, eine fehlende Sozialisierung führt dazu, dass die Meerschweinchen nicht die gleiche Sprache wie andere Meerschweinchen führen könnten (mehr Infos zu Erzieher-Meerschweinchen gibt es hier.)
Solche Meerschweinchen brauchen oft länger, um mit den anderen eine gemeinsame Kommunikationsgrundlage zu finden. Sie kommen daher meist in größeren Gruppen mit vielen ausgeglichenen und gut sozialisierten Meerschweinchen besser zurecht.
Wenn ein Meerschweinchen übermäßig oder von mehreren anderen Meerschweinchen oder auch über längeren Zeitraum gejagt wird, kann es sein, dieses Tier ist krank. Man sollte dann mehr Diagnostik betreiben, um dies herauszufinden.
Auch können hormonell bedingte Probleme im Zusammenhang mit Eierstock-Zysten bei Meerschweinchen-Damen zu erhöhten Aggressionen führen. Diese entladen sich dann auch nicht immer bei allen Tieren, zum Teil jagen diese Damen dann nur einzelne andere Meerschweinchen. Auch hier sollte Diagnostik (Urincheck, Ultraschall etc.) beim Tierarzt erfolgen. Liegen lediglich Eierstockzysten vor und kein Gebärmutterproblem (ähnliche Symptome), so stellt Chlormadinon häufig eine gute Möglichkeit dar, dass die betroffenen Meerschweinchen binnen kurzer Zeit wieder entspannt und freundlich sind. Mehr Infos dazu gibt es hier.
Vergesellschaftung bei kranken oder alten Meerschweinchen
Bei kranken oder alten Meerschweinchen sollte eine Vergesellschaftung nur wenn nötig durchgeführt werden und so stressfrei wie möglich ablaufen (ggf. mithilfe eines Trenngitters, siehe nächsten Textabschnitt). Auch kranke oder alte Meerschweinchen sollten natürlich in keinem Fall alleine bleiben, aber ein passender Partner will gut gewählt sein. Meistens macht es Sinn, ein gleichaltriges Tier mit guter Sozialisierung und freundlichem, zu dem anderen Tier passenden Charakter zu wählen. Es werden gerne Baby-Meerschweinchen zu älteren Tieren gesetzt, da die Vergesellschaftung mit Jungtieren in der Regel deutlich harmloser ausfällt, als die mit älteren Meerschweinchen. Dabei muss man aber bedenken, dass man immer zwei Babys zusammen in einer Gruppe haben sollte - dies ist sinnvoller und schöner für die Babys und auch die entsprechenden Erziehertiere stressfreier, da die Babys dann auch viel miteinander unternehmen und voneinander lernen können.
Diese Jungtiere aber werden mit der Zeit dann auch älter und benötigen eine Erziehung. Dies kann anstrengend für die älteren Tiere werden. Gerade auch in den Rappelphasen bei heranwachsenden Meerschweinchen kann es sein, sie testen die älteren Tiere (wie pubertierende Teenager beim Menschen eben auch ;) ). Das kann ein stressiger Job sein und ist nicht das richtige für ein altes und krankes Meerschweinchen. Manche Senior-Meerschweinchen leiden dann unter diesem Stress mit den Jungtieren mit der Zeit.
Daher raten wir lieber nicht zu solch einer Konstellation mit einem älteren, kranken Meerschweinchen und Baby-Meerschweinchen, sondern eher zu einer Kombination von gleichaltrigen Tieren mit passendem Charakter.
Vergesellschaftung am Trenngitter
In Sonderfällen macht eine Vergesellschaftung am Trenngitter Sinn – dies bedeutet, dass das neue Meerschweinchen erst ein paar Tage durch ein Gitter getrennt mit den anderen gehalten wird. Wenn Meerschweinchen sehr krank oder alt sind und vergesellschaftet werden sollen oder bereits bekannt ist, dass mit ihnen eine Vergesellschaftung schwierig werden könnte, ist dies eine Option. Die Tiere können sich durch das Gitter schon begutachten und meist kommt es auch zu leicht stressigen Rangordnungs-Klärungs-Versuchen am Gitter, dennoch haben beide Parteien die Sicherheit, dass ihnen das Gegenüber nichts tun kann durch den Schutz des Gitters. Beruhigen sich die Tiere und sitzen nach wenigen Tagen nebeneinander z.B. futternd am Gitter, ist dies zwar kein Garant, dass eine Vergesellschaftung klappt, aber schon eine gute Basis. Beobachtet man allerdings, dass die Situation am Gitter immer stressiger wird, da die Meerschweinchen durch das Gitter ja nicht in der Lage sind, die Rangordnung richtig auszudiskutieren, sollte man sie wieder komplett ohne Sichtmöglichkeit halten und hinterfragen, ob man eine normale Vergesellschaftung überhaupt noch probieren möchte.
Vergesellschaftung von Jungsgruppen
Die Vergesellschaftung von Jungsgruppen stellt manchmal noch einen Sonderfall dar. Hier gibt es einen Text zu diesem Thema.