Verstopfung beim Meerschweinchen
Verstopfungen gibt es beim Meerschweinchen unseren Erfahrungen nach so gut wie gar nicht, zumindest nicht, wenn das Meerschweinchen weder Tumore noch Verwachsungen im Körper hat. Auch eine zu trockene Ernährung führt beim Meerschweinchen nicht zu einer Verstopfung.
Die Diagnose Verstopfung ist häufig eine Fehldiagnose: wenn Meerschweinchen nicht mehr viel fressen, weil es ihnen nicht gut geht aufgrund einer Erkrankung, setzen sie auch kaum noch Kot ab oder nur wenig und sehr kleine Böhnchen (sogenannten Hungerkot, mehr Infos dazu hier). Dann wird oft angenommen, die Meerschweinchen hätten eine Verstopfung. Auch auf Röntgenbildern wird in solchen Fällen fälschlicherweise von einer Verstopfung ausgegangen, wenn man dann in solchen Fällen eine größere Ansammlung Nahrungsbrei im Darm findet. Jedoch wird dieser oft durch eine Aufgasung zusammengeschoben, so dass es aussieht, als würde er sich da stauen. Es geht dann aber schon noch voran im Darm, nur durch die Gase und ggf. sehr wenig nachkommende Nahrung viel langsamer.
Meerschweinchen haben einen sehr dehnbaren Darm, so dass harter Kot dennoch von den Darmmuskeln fortbewegt werden kann.
Und hier kommen wir gleich zu einem weiteren oft falsch dargestellten Thema: Meerschweinchen haben keinen Stopfdarm! Sie verfügen über Darmmuskeln, die die Nahrung im Darm weiterleiten können und so funktioniert die Verdauung auch, wenn sie nichts Neues fressen. Eine Zwangsernährung ist daher auch nicht nötig und kann sogar sehr gefährlich sein und grosse Qual. Mehr zu diesem Thema steht hier.
Diagnostik, Ursachen und Behandlung
von Verstopfungen beim Meerschweinchen
Wenn es beim Meerschweinchen zu einer wirklichen Verstopfung kommt, liegt die Ursache oft bei Tumoren in der Nähe oder an Magen und Darm. Oft sind es Milztumore (Infos hier), es kann sich aber auch um grosse Magengeschwüre handeln. Die Geschwüre oder Tumore verhindern dann die Weiterleitung (Passage) von Nahrung im Verdauungstrakt und führen zum Stau von Nahrung in Magen oder Darm. Oft kommt es dabei auch zu einer Aufgasung.
Den Meerschweinchen geht es dann entsprechend schlecht und sie werden auch nicht mehr oder nicht mehr viel fressen wollen. Auf keinen Fall dürfen sie per Zwang ernährt werden, dies ist reine Qual und hilft nicht, sie zu retten, tötet sie höchstens etwas schneller.
Man sieht in solchen Fällen auf normalen Röntgenbildern in solchen Fällen dann oft sehr viel Nahrung im Magen und keine mehr im Darm (bei einer Blockade des Magenausgangs) oder nur bis zu einer bestimmten Stelle im Darm.
Wenn es dem Meerschweinchen bereits zu schlecht geht, sollte man es erlösen lassen. Eine solche Verstopfung hat immer eine schlimme Ursache und sind die Tiere nicht mehr bei gutem Allgemeinzustand, ist weitere Diagnostik oder eine OP keine sinnvolle Option mehr.
Sind die Meerschweinchen noch relativ stabil und hat man Hoffnung, man kann ihnen noch helfen, so kann weitere Diagnostik betrieben werden. Zuerst macht ein Ultraschall Sinn, wenn die Meerschweinchen dafür noch nicht zu stark aufgegast sind. Mittels Ultraschall kann man versuchen, eine Ursache für die Verstopfung zu finden (meistens eben Tumore irgendwo). Auch freie Flüssigkeit im Bauch deutet in den meisten Fällen auf einen Tumor hin, den man ggf. nicht immer im Ultraschall findet. Zur Sicherheit sollte dann immer ein Antibiotikum verabreicht werden, sofern es sich um eine starke Entzündung handeln sollte, die auch zu der freien Flüssigkeit führen könnte - meistens leider ist aber wirklich ein Tumor im Spiel, gerade im Zusammenhang mit Verstopfungen.
Ergibt der Ultraschall nichts oder ist er nicht möglich, sollten weitere Röntgenbilder angefertigt werden mit vorheriger Fütterung des Kontrastmittels Bariumsulfat. Dieses zeigt dann beim Röntgen, wo sich Nahrung im Magen-Darm-Trakt befindet - und wo eben nicht. So kann man herausfinden, wo es eine Blockade gibt - das Bariumsulfat sieht auf Röntgenbildern weiss aus und verteilt sich im Normfallfall im Magen-Darm-Trakt im Zuge der Verdauung. Sammelt sich jedoch an einer Stelle, so liegt dahinter eine Blockade vor. Mit Bariumsulfat im Darm ist kein Ultraschall möglich, daher sollte dieser zuvor durchgeführt werden.
Wenn ein Meerschweinchen eine Verstopfung hat, so muss man, wie erwähnt, mit allem sehr vorsichtig sein, was man ihm unter Zwang eingibt. Daher ist stark von Zwangsernährung abzuraten und auch sollten es maximal ein paar wenige ml Bariumsulfat pro Stunde sein, die man dem Tier dann verabreicht.
Dieses Meerschweinchen hatte einen Tumor am Magenausgang. Durch Futter und Brei mit Kontrastmittel, welches es bekommen hatte, staute sich der Magen, da das Futter nicht mehr in den Darm weitergeleitet werden konnte.
Dieses Meerschweinchen hatte einen Tumor an der Milz, weshalb sich Futter im Magen gestaut hat und das Tier stark aufgaste. Dies wurde als Verstopfung bezeichnet und man dachte, mit ordentlich Zufüttern würde man helfen.
Durch die Zwangsernährung mit Brei platzte diesem Meerschweinchen jedoch der Magen, wie sich später in der Autopsie zeigte. Der Mageninhalt hatte sich durch einen Riss in der Magenwand bereits in den Bauch ergossen und das Meerschweinchen muss grosse Qualen ausgestanden haben. Dieses Schicksal erleiden aufgrund der unsinnigen Zwangsernährung leider wohl einige Meerschweinchen.
In manchen Fällen mit Verstopfung, die man noch nicht einschläfern lassen möchte und bei denen man die Ursache nicht ganz herausfindet, bleibt nur eine Operation auf gut Glück. Dabei wird das Meerschweinchen unter Narkose im Bauch operativ untersucht, ob man die Ursache der Verstopfung finden und beheben kann. Da es sich meist um Tumore anderer Organe handelt, die zu der Verstopfung führen oder die Schäden an Magen und Darm zu groß sind, wenn diese Organe selbst befallen sind, enden solche Operationen meist mit dem Erlösen des Tieres.
Bei Tumoren an der Gebärmutter und den Eierstöcken (Infos dazu hier) kann man eine Operation probieren, sofern die Tumore noch nicht zu sehr mit anderen Organen verwachsen sind. Wenig aussichtsreich sind leider die Entfernung der Milz (Infos hier) und einer Niere (Infos hier). Solche Operationen überleben die Meerschweinchen nur ganz selten und nur, wenn sie sonst noch jung und noch fit genug sind. Man sollte bei der Entscheidung, das Tier operieren zu lassen oder erlösen zu lassen dann nach seinem allgemeinen Zustand, die Erfahrung des Tierarztes und auf das eigene Bauchgefühl hören.
Wenn andere, nicht operable Organe an Tumoren erkrankt sind, die Magen und Darm blockieren, sollte das Meerschweinchen erlöst werden. Ein Weiterleben wäre nicht mehr möglich oder nur kurze Zeit unter schlimmsten Qualen.
Selten können auch Verwachsungen nach Operationen zu der Blockade von Magen und Darm führen. Solche Verwachsungen sind, sofern sie nicht mit einer Entzündung und somit freier Flüssigkeit einhergehen, leider im Ultraschall so gut wie nicht zu sehen. Auch mittels CT nicht zuverlässig. Haben Meerschweinchen nach z.B. einer Kastration (beim Weibchen) oder Blasen-OP dauerhaft Verdauungsprobleme oder Bauchschmerzen und Unwohlsein und ist keine andere Ursache zu finden, so ist es vermutlich zu inneren Verwachsungen gekommen, die die Probleme begünstigen. Das kommt leider beim Meerschweinchen nach solchen Operationen sehr häufig vor.
Meistens bleibt es dann nur, die Meerschweinchen auf gut Glück zu operieren. Nicht immer können die Verwachsungen aber noch getrennt und das Meerschweinchenleben gerettet werden. Mehr zu diesem Thema steht hier.
Bei anderen Tierarten wie Kaninchen, die sich sehr ausgiebig putzen und Fellwechsel haben, sind auch Verstopfungen durch die orale Aufnahme von Fell und dementsprechend Fellanhäufungen im Magen-Darm-Trakt bekannt. Beim Meerschweinchen kommt dies unserer Erfahrung nach nicht vor. Sieht etwas aus wie ein Fellball im Röntgen, so hat es sich in den Fällen, die wir kennen, immer um eine Anhäufung von Futter gehandelt, oft durch eine Aufgasung zusammengedrückt. In diesem Fällen half eine Behandlung mit Colosan und Simeticon (Infos hier), Novalgin und Metacam als Schmerzmittel (Infos hier) zur Sicherheit ebenfalls mit einem Antibiotikum und viel Flüssigkeit über Nahrung und flüssigem Brei (nur, wenn vom Meerschweinchen freiwillig genommen!).
Dieses Vorgehen ist generell auch immer angeraten, wenn es beim Meerschweinchen zu Magen-Darm-Problemen unbekannter Ursache kommt – auch beim Verdacht auf Verstopfungen.
Meerschweinchen mit zusammengedrücktem Futter im Magen als Nachwirkung einer Kastration. Es wirkt wie ein Ball im Magen und wird oft für Fell gehalten - was als Kot dann herauskam, war aber Nahrung.
Da Verstopfungen beim Meerschweinchen also eigentlich nicht durch zu harten Kot oder Fellbälle im Magen-Darm-Trakt entstehen, helfen auch keine Mittel wie Speise-Öle zum Rutschen der Verstopfung oder Ananassaft für zusätzliche Verdauungsenzyme zum Auflösen von Fell (was der Saft aber auch nicht schaffen kann).
Das alles gilt auch für Magenüberladungen, mehr Infos dazu stehen hier.